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Channel: Unfallforschung der Versicherer - Verkehrssicherheits-Management
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ESN vs. EuroRAP

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Nachdem die Vergabe von Sternen für die passive Sicherheit von Pkw (EuroNCAP) erfolgreich den fahrzeugseitigen Schutz der Pkw-Insassen bei einem Unfall erhöht hat, werden nun auch bis zu 4 Sterne für die passive Sicherheit von Autobahnen und Landstraßen (also den straßenseitigen Schutz eines Pkw-Insassen bei einem Unfall) vergeben.

Dies geschieht durch den ADAC-Straßentest nach EuroRAP, ein Verfahren, das von europäischen Automobilclubs und einigen nationalen Straßenbauverwaltungen entwickelt wurde.

Ziel von EuroRAP ist es, neben einer Aufklärung der Autofahrer über die passive Sicherheit von Straßen,
die Straßenbauverwaltungen dazu zu bringen, die festgestellten Sicherheitsdefizite zu beseitigen.

Im Straßentest 2005 des ADAC wurden 8.000 km Straßen, vor allem Autobahnen, befahren und deren passive Sicherheit bewertet. Sicherheitsrelevante Kriterien auf Streckenabschnitten zwischen Kreuzungen sind das Vorhandensein von „Gegenverkehrstrennungen“, von hindernisfreien Seitenräumen bzw. von Schutzeinrichtungen vor gefährlichen Hindernissen nahe der Fahrbahn sowie die Ausbildung von Kreuzungen und Einmündungen mit Überführungsbauwerken oder als Kreisverkehre. "Mängel" in der passiven Sicherheit werden dann nicht kritisiert, wenn die zulässige Höchstgeschwindigkeit in der Straße deutlich reduziert ist.

Die Unfallforschung der Versicherer teilt die Auffassung des ADAC, dass bauliche Maßnahmen erhebliche Potenziale bergen, unsere Straßen sicherer zu machen und die Zahl der im Verkehr Getöteten und Schwerverletzten spürbar zu senken. Allerdings ist das vom ADAC entwickelte Instrumentarium in der bisherigen Form kaum geeignet, Straßen mit hohem Potenzial für sicherheitsverbessernde Maßnahmen zu identifizieren:

Grundlage für eine Bewertung kann nur das reale Unfallgeschehen sein. Dieses muss aber nicht mit der Bewertung der passiven Sicherheit einer Straße im Straßentest nach EuroRAP übereinstimmen. So gibt es viele Straßenabschnitte, die die höchste Sternezahl erhalten haben, obwohl sich dort in den letzten Jahren immer wieder schwere Unfälle ereignet haben. Diese Diskrepanz kann nicht verwundern, da im ADAC-Straßentest Mängel der aktiven Sicherheit von Straßen, wie kurvige Linienführung, überraschende Kurvenfolgen, schmale Fahrbahnbreiten oder fehlende Überholmöglichkeiten nicht erfasst werden.

 

Das Beispiel (links) zeigt für einen Autobahnabschnitt, getrennt für die beiden Richtungsfahrbahnen, dass die Ergebnisse des ADAC-Straßentests nach EuroRAP und die Ergebnisse von Unfallanalysen nicht zusammenpassen:

  1. Die Ergebnisse des EuroRAP/ADAC-Straßentests 2005:Es gibt nur 4- und 3-Sterne-Abschnitte.

  2. Die Unfälle mit Schwerverletzten und Getöteten in 3 Jahre zeigen, dass die 4-Sterne-Abschnitte überwiegend mehr schwereUnfälle aufweisen als die durch EuroRAP schlechter bewerteten 3-Sterne-Abschnitte. Die Farben zeigen unterschiedliche Unfalltypen; diese geben erste Hinweise auf Abhilfemaßnahmen.

  3. Die Sicherheitspotenziale (SIPO), dargestellt durch die vermeidbaren volkswirtschaftlichen Verluste durch Straßenverkehrsunfälle: grün sind sichere Abschnitte, rot sind Abschnitte mit vielen und schweren vermeidbaren Unfällen.

  4. Die Unfallhäufungen: Häufungen schwerer Unfälle, die im Rahmen der „Örtlichen Unfalluntersuchung“ zu verbessern sind.

Zielführender als Befahrungen und visuelle Bewertungen im Rahmen des Straßentests sind systematische netzweite Unfallanalysen. Um diejenigen Abschnitte zu finden, auf denen
Mängel in der Straßengestaltung tatsächlich zu vielen und schweren Unfällen beigetragen haben und Veränderungen also notwendig und erfolgreich sind, gibt es in Deutschland praxiserprobte Verfahren, die durch entsprechende Vorschriften ausführlich erläutert werden.

  • Die „Empfehlungen für die Sicherheitsanalyse von Straßennetzen (ESN)“ beschreiben ein Verfahren, das für alle Straßenarten (Autobahnen, Landstraßen, innerstädtische Hauptverkehrsstraßen und Straßen in Wohngebieten) auf der Basis des tatsächlichen Unfallgeschehens die Abschnitte ermittelt, bei denen durch straßenbautechnische Maßnahmen ein großes Sicherheitspotenzial gegeben ist. Das Sicherheitspotenzial errechnet sich aus der durch bauliche oder verkehrsregelnde Maßnahmen vermeidbaren Anzahl und Schwere der Straßenverkehrsunfälle, ausgedrückt durch die vermeidbaren volkswirtschaftlichen Verluste pro Kilometer und Jahr. Auf Straßenabschnitten mit den höchsten Sicherheitspotenzialen sind bauliche Umgestaltungen besonders dringlich und besonders erfolgreich.

  • Im Rahmen der „Örtlichen Unfalluntersuchung“ (geregelt in der „Allgemeinen Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung VwV-StVO“ und den „Merkblättern zur Auswertung von Straßenverkehrsunfällen“) werden Polizei, Straßenverkehrsbehörde und Straßenbaubehörde verpflichtet, Unfallhäufungen auf Straßen zu erkennen, zu bewerten, die mitwirkenden Ursachen der Straße zu analysieren und entsprechende Maßnahmen der Verkehrsüberwachung, der Verkehrsregelung oder der baulichen Änderungen zu veranlassen.

  • Hiermit steht den Bundesländern und Kommunen ein geeignetes Instrumentarium zur Verfügung, um im vorhandenen Straßennetz auffällige Stellen oder Strecken zu identifizieren und sicherheitsverbessernde Maßnahmen betrieblicher oder baulicher Art für deren Umgestaltung abzuleiten. Nun ist es Aufgabe der Bundesländer und Kommunen, die Instrumente konsequent einzusetzen.

  • Dagegen würde der alleinige Blick auf die „EuroRAP-Sterne“ zu einer nicht zielführenden Verteilung der knappen Mittel für die sicherheitstechnische Verbesserung von Straßen führen. Der Straßentest kann jedoch ergänzend zur Verkehrssicherheitsarbeit der Verwaltung Informationen über mögliche Defizite von als unfallauffällig identifizierten Strecken liefern.


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